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AutorenbildG.A. Pfretzschner

Fast 600 Jahre Familiengeschichte (Teil 1)

Aktualisiert: 23. Dez. 2022

Auf einer Reise durch Tansania in den 90ern übernachteten wir in einer schönen Lodge. Zum Abendessen waren die Tische fein mit Kristallglas und Silberbesteck gedeckt und auf ihnen standen Namenskärtchen. Meinen Namen konnte ich allerdings nirgendwo finden. Ich sprach einen freundlich wirkenden Kellner darauf an und sagte ihm meinen Namen. Woraufhin er uns mit einem überzeugten "Ah, yes please follow me" zu unserem Tisch führte - auf dessen Namenskärtchen stand "Afritz". Völlig ratlos war aber der deutsch-türkische Reiseführer in Antalya, der überprüfen wollte, ob denn alle Reisenden im Bus waren. Er las von seiner Liste die Namen der Familien vor und die genannten sollten ihre Anwesenheit dann mit einem lauten "Ja, bin hier, bin da" oder so ähnlich bestätigen. Als wir (meine Frau, mein Sohn und ich) an der Reihe waren, las er zunächst den Namen meiner Frau vor (die ihren Mädchennamen behalten hat) - gefolgt von einer langen Pause - und dann einem verzweifelten "... und zwei andere". Ich finde es nicht gut, aber ich verstehe meine Frau.


Seit Jahrhunderten haben Kirchenbuchschreiber, Schriftführer der Meisterbücher und heute eben Behörden, Kunden und Mitmenschen so ihre liebe Not mit diesem Namen und so wird manchmal nur das "z", oft auch das "sch", manchmal das "P" weggelassen, und manchmal bleibt halt auch nur noch ein "Afritz" übrig. In den alten Büchern findet man Schreibweisen wie phretscher, phretzner, Pfreczner, Pfritzner oder Pfretzner, Fratscher , alles dabei. Doch hier geht es um die Familie der PFRETZSCHNER im sächsischen Vogtland.


Mein Großvater sagte, der Name kommt von dem Wort "Pfretsche", so sei im Mittelalter die Weinpresse genannt worden. Dieser Gedanke war mir immer sympatisch und ich habe ihn bis heute nicht hinterfragt. Leider lassen sich dafür keine Belege finden (zumindest nicht durch mich) und so schließe ich mich der Meinung an, dass die ersten Pfretzschner als Siedler aus Süddeutschland ins Vogtland kamen. Vielleicht aus dem Ort Pretzen in der Nähe von Erding in Oberbayern.


Ich möchte mich nicht mit fremdem Federn schmücken. Die vielen Informationen zu und über meine Familie und deren Herkunft haben andere zusammengetragen. Zu aller erst ist hier August Heberlein zu nennen, der sich sehr detailliert mit den Markneukirchner Familien beschäftigt hat. Unter dem Titel "Das Geschlecht der PFRETZSCHNER im sächsischen Vogtland" aus dem Jahr 1967 hat er die Ergebnisse seiner geneologischen Recherchen niedergeschrieben. Dafür bin ich ihm sehr sehr dankbar. Umfangreichste Informationen zum "Vogländischen Geigenbau" findet man in zwei Bänden mit diesem Titel von Bernhard Zoebisch aus dem Jahr 2000, das vom Verein der Freunde und Förderer des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen e.V. verlegt und herausgegeben wird. Ein wirklich beeindruckendes Werk das für die Geschichte des vogtländischen Geigenbaus unendlich wertvoll ist. Dr. Enrico Weller aus Markneukirchen hat zusammen mit Dirk Arzig und Mario Weller in dem Buch "Historische Kataloge" (der Markneukirchner Musikinstrumentenhändler) über Familie und Firma G.A. Pfretzschner recherchiert und geschrieben (vom Verein der Freunde und Förderer des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen e.V. verlegt und herausgegeben). Und auch das Forum des Musikinstrumenten-Museums in Markneukirchen war für die ein oder andere Information eine wichtige Quelle.


Dass sich die Nachkommen einmal so intensiv mit den Pfretzschner beschäftigen würden, hätte diese illustre Männerrunde wohl auch nicht gedacht. Das Bild zeigt die Herren auf einem Ausflug nach Karlsbad (heute: Karlovi Vari) im Jahr 1884. Stehend von links nach rechts:

Arnold Schuster, zu dieser Zeit Inhaber der Firma Paulus & Schuster; Heinrich Theodor Heberlein (Försterl), Gründer der gleichnamigen, später weltbekannten Firma; Leopold Pfretzschner, mein Ururgroßvater; Otto Pfretzschner, mein Ururonkel. Sitzend von links nach rechts: Bernhard Louis Zoebisch, der Großvater des oben genannten Autors; Oskar Wurlitzer, damals der Wirt des Hotel zur Post und ebenfalls Ururgroßvater und Ferdinand Kessler, Patentinhaber eines zusammenlegbaren Bogen für Geige.



Ich habe lediglich diese mir zur Verfügung stehenden Informationen aus meiner "familiären" Sicht zusammengefasst um das was mir wichtig erscheint, für die kommenden Generationen der Pfretzschner zu bewahren.


Der erste nachweisbare Pfretzschner im Vogtland war "Nickel" der wohl um 1430 geboren wurde und in Oelsnitz im Vogtland wohnhaft war.

Er wird in der Steuerliste des Amtes Voigtsberg von 1467 namentlich erwähnt. Die ersten sieben Generationen (oder 230 Jahre !) sind schnell erzählt. Drei mal Hans, Johann, Thomas und Elias I waren Stadtvoigte, Rektoren und auch Bürgermeister. Ein Ur-Enkel von Nickel, mit Namen Sittich (andere Linie), war wie sein Vater Ratsmaurermeister in Leipzig und hat den Bau der Nikolaikirche vollendet und den Rathausneubau vollzogen. Das war um 1560 rum.


Elias I heiratet 1651 die Maria Körner, Tochter des Valentin Körner aus Adorf. Dass sie, wie in der Literatur angegeben, die Mutter des Sohnes von Elias I, Elias II ist, ist unwahrscheinlich, da sie angeblich bald nach der Heirat 1651/52 gestorben sein soll. Elias II hat jedoch erst am 28.01.1659 das Licht der Welt erblickt. Da war Antonio Giacomo Stradivari gerade mal 11 Jahre alt und hatte mit Geigenbau vermutlich noch wenig am Hut.


Als Elias II 18 Jahre als war, wurde 1677 in Markneukirchen die Geigenmacher-Innung gegründet. Dass dies einmal von besonderer Bedeutung für ihn und seine Nachkommen sein würde, hat er damals im Leben nicht geahnt. Er wurde Tuchmacher oder Schuhmacher (kann man vermutlich nicht mehr recht entziffern) und Händler und verdiente sein Geld später wohl auch mit dem Handel von Geigen. Er heiratet am 09.11.1680 die Catharina Jobst, mit der er zwei Söhne bekommt, Johann Elias I und Johann Adam I.


Am 15.06.1713 gelang Elias II, im Alter von 54 Jahren und 36 Jahre nach der Gründung der Geigenmacher-Innung etwas unglaubliches, er wurde als Meister in die Innung aufgenommen, obwohl er das Handwerk des Geigenbaus nicht beherrschte und auch nie erlernt hatte. Folgender Text ist überliefert: "... hat sich Elias Pfretzschner bey Versammlung einer Löbl. Kunst vor offener Lade wieder angegeben und nochmals gefraget, ob sie ihn nach den aufgerichteten und sogenannten Reces, welche eine Löbl. Kunst seinetwegen und mit ihm, den 13. Marty 1713 aufgesezet, worden zu einem Mitmeister auff- und annehmen. Worauf dann eine nochmalige Umfrage (weil alle Frembte Mitmeister vor iezo vorhanden und beym Hauptquartal erschienen waren und also die ganze Kunst Versammlung beysammen gewesen) gehalten und gedachter Reces deutlich und wohl vorgelesen worden, da nun keiner nichts dawieder gehabt. So ist ihm hierrauf das Meisterrecht mit Handel und Wandel und wie es in den obgedachten und genannten Reces ausgesagt, im Namen Gottes zugesaget worden, hat auch davor Laut Rechnung 21 Taler erleget und ist diese zu beßerer Nachricht hierher registriert und unterschrieben worden.”

(Quelle: Bernhard Zoebisch - Vogtländischer Geigenbau Band I)


Elias II Pfretzschner hatte damit das Meisterrecht erlangt mit der Bedeutung, als Geigenhändler zu fungieren. Das war wohl nur möglich, weil er höchstes Ansehen und Vertrauen unter den Geigenmachern genoss welche ihm zutrauten, ihre Instrumente angemessen zu repräsentieren und zu vertreiben. Er gilt als der erste ordentliche, von der Geigenmacher-Innung bestätigte Geigenhändler in Markneukirchen.


Wie es mit den beiden Söhnen weiterging, lest ihr im nächsten Blog. Kommentare und Hinweise auf weitere Informationen sind sehr willkommen.

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