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Händler, Kaufleute, Fabrikanten (Teil 3)

Aktualisiert: 18. Mai


Johann Carl Pfretzschner (* 1739) lernt zunächst, genau wie sein Bruder, das Handwerk des Geigenmachers und wird am 28.05.1760, zusammen mit sechs weiteren Geigenmachern, zum Meister der Markneukirchner Geigenmacher-Innung gesprochen. Er arbeitete wohl im Stile seines Cousins Carl Friedrich I und verwendete dieselben Schablonen. Auf seine Zettel schrieb er "Johann Carl Pfretzschner, probe Violin für Lauten, corespondenci Roma Cremona 17.." Was ein pseudolateinisches Kauderwelsch. Es existieren noch ein paar der von ihm gebauten Instrumente auf dieser Welt, aber sicherlich nicht mehr viele.


Das verwundert auch nicht, denn sehr bald verlegte er sich auf den Handel mit Musikinstrumenten. Er betrieb dann zusammen mit seinen Cousins und anderen Markneukirchner Geigenbaumeistern die Gründung einer Saitenmacher-Innung. Als diese am 11.4.1777 für ganz Kursachsen mit Sitz in Markneukirchen von Kurfürst Friedrich August III von Sachsen bestätigt wurde, galt er als Musikinstrumentenhändler. Er wurde sofort Meister der neuen Innung und war später deren Obermeister. Richtig schlau war jedoch der folgende Schachzug von ihm. Am 4.7.1780 suchte er bei der Klingenthaler Geigenmacher-Innung um das Meisterrecht nach, das ihm auch gewährt wurde. “...hat sich Meister Johann Carl Pfretzschner von Neukirchen gemelt um bey der alhier befindlichen Erbarn Geigenmacher-Innung (in Klingenthal) das Meisterrecht zu erhalten gebeten. …" Mitten in einem Jahrzehnte währenden Geigenkrieg zwischen den beiden Geigenmacherorten Klingenthal und Markneukirchen hatte Johann Carl nun als Mitmeister der Klingenthaler Innung das Recht, Klingenthaler Instrumente in seinen Wohn- und Geschäftsort Markneukirchen zu liefern und damit in Markneukirchen zu handeln.


1770 heiratet er Christine Elisabeth Liebel und hat mit ihr fünf Kinder. Davon die vier Töchter Christiane Elisabeth, Christiane Sophie, Christiane Eleonore Sophie und Christiane Caroline. Sophie heiratete später Johann Georg Otto und Caroline heiratet Christian Gottfried Schuster, die beiden bedeutendsten Meister aus der frühen Phase des vogtländischen Holzblasinstrumentenbaus. Ob die vier Töchter Kinder hatten ist nicht bekannt.


Von 1792 bis zu seinem Tode 1797 war Johann Carl Pfretzschner Bürgermeister von Markneukirchen und ein angesehener Einwohner.


Als einziger Sohn wird 1773 Carl Gottlob I Pfretzschner geboren. Er wird wie der Vater Saitenmachermeister und -fabrikant und Musikinstrumentenhändler. Das Geigenmacherhandwerk erlernt er nicht mehr. 1802 heiratet Carl Gottlob I die Johanna Caroline Patzschke und hat mit ihr zwei Söhne und zwei Töchter. Carl Gustav Adolf (* 1805) den späteren Gründer der Firma G.A. Pfretzschner und Julius Alexander, der Buchbinder war. Über Bertha Amalie ist lediglich bekannt, dass Sie Taufpatin von Agnes Rosalie Dürrschmidt war. Marie Auguste (*1813) heiratete Johann Wilhelm Giers aus Adorf.


Carl Gustav Adolf Pfretzschner
Carl Gustav Adolf Pfretzschner

Carl Gustav Adolf Pfretzschner hatte Saitenmacher gelernt und war 1861 Obermeister der Saitenmacher-Innung Markneukirchen. 1834 gründete er das Musikgeschäft mit dem Firmennamen G.A. Pfretzschner das er 1862 in das Handelsregister eintragen ließ. Das Sortiment war breit gefächert und enthielt alles, was in der Musikbranche benötigt wurde. Vor allem wurden Streichinstrumente in unterschiedlichen Qualitätsstufen und das zugehörige Zubehör von Bögen und Saiten bis hin zu Futteralen gehandelt. Darüber hinaus wurden auch alte und historische Saiteninstrumente gehandelt. Eine eigene Geigenmacher-Werkstatt bestand nicht. Reparaturen wurden an Instrumentenmacher in Markneukirchen und Umgebung vergeben. Neben den Streichinstrumenten wurde auch mit Blasinstrumenten, vornehmlich aus Holz, Handel betrieben.




Zusammen mit Rosalie Wilhelmine Meinhold, die er 1835 heiratet, hat Carl Gustav Adolf insgesamt neun Kinder, Gustav Adolf, Otto Gottlob, Clementine, Natalie, Leopold Ludwig, Antonie, Liddy, Ottilie und Julie. Rosalie Wilhelmine stirbt im Alter von 58 Jahren 1868 in Markneukirchen. Über die weitere Fortsetzung der Familienlinien von Otto, Clementine, Antonie, Liddy, Ottilie und Julie und deren Nachkommen ist nur sehr wenig bekannt. Die Brüder Gustav Adolf (* 1837) und der zwölf Jahre jüngere Leopold Ludwig (* 1849) führen die Familientradition als Händler weiter fort. Natalie (*1853) heiratet Heinrich Theodor Stark, den Gründer und Inhaber der Firma Theodor Stark (Theosta), welche ebenfalls als Fabrikant und Exporteur von Musikinstrumenten tätig war. Nach dem Tod von Theodor Stark 1898 ist Natalie von 1899 - 1905 zusammen mit dem ältesten Sohn Willy Stark Mitinhaberin der Firma.


Ab dem Jahr 1865 war der älteste Sohn Gustav Adolf neben dem Vater Mitinhaber und ab 1889 bis 1905 Inhaber der Firma G.A. Pfretzschner. Der jüngere Bruder, Otto Gottlob , trat 1869 mit dem Ausscheiden des Vaters in die Firma ein, war aber nur bis 1891 beteiligt.

Weltausstellung in Philadelphia 1876
Weltausstellung in Philadelphia 1876

In dieser Zeit wurde das Unternehmen auch international immer erfolgreicher. Ein wichtiger Schritt dabei war 1876 die Teilnahme an der Weltausstellung in Philadelphia, wovon noch heute der im Gerber-Hans-Haus aufgestellte historische Ausstellungsschrank kündet.


Die Firma G.A. Pfretzschner erzielte ihren Umsatz hauptsächlich mit Streichinstru-menten, Bögen sowie deren Bestandteilen und zu 90% durch den Export. Um 1900 hatte man Vertretungen in einem halben Dutzend europäischer bzw. nordamerikanischer Städte, u.a. Hamburg, London, Paris, Göteborg und New York.


1880 meldete man erstmals eine Globus-Schutzmarke an, die fortan auf vielen Firmendrucksachen zu finden war.





Gustav Adolf heiratet 1864 die Ottilie Sonntag und hat mit ihr sieben Kinder. Adolf Horst, Curt Richard, Martha, Elise, Margarethe Ottilie, Adolf Hans und Käthchen Ottilie. Adolf Horst, Elise und Margarete Ottilie sterben noch im Säuglingsalter. Martha heiratet später in die Familie Schuster ein und hat eine Tochter, Gertraud. In zweiter Ehe ist sie mit Theo Schwede verheiratet. Käthe heiratet im September 1904 den Rittergutsbesitzer Wolf von Römer.


Gustav Adolf und Ottilie


von links: Curt Richard, Käthe, Ottilie, Gustav Adolf, Martha
von links: Curt Richard, Käthe, Ottilie, Gustav Adolf, Gertraud Schuster, Martha, Theo Schwede


von links: Hans Adolf Pfretzschner, Max B. Martin
von links: Hans Adolf Pfretzschner, Max B. Martin, 1904

Von 1895 bis 1899 war Gustaf Adolf außerdem Inhaber der Signalinstrumenten-Fabrik M.C.R Andorff die er zur Fortführung durch seinen jüngsten Sohn Hans Adolf bestimmt hatte. Hans Adolf war dann ab 1899 Mitinhaber der Deutschen Signalinstrumenten-Fabrik M.C.R. Andorff und betrieb diese nach Ausscheiden von Andorff zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Max B. Martin unter dem Namen Deutsche Signal-Instrumenten-Fabrik Pfretzschner & Martin. Hans Adolf ist bis 1906 Mitinhaber des Unternehmens, anschließend wird es von Max B. Martin alleine weitergeführt.


1932 entwickelte die Deutsche Signal-Instrumentenfabrik zusammen mit Feuerwehr- und Polizeidienststellen ein Horn, das als Sondersignal für bevorrechtigte Wegebenutzer gesetzlich vorgeschrieben wurde. Seit dieser Zeit besteht die geschützte Wortmarke "Martin-Horn". Bis zum 2. Weltkrieg wurden diese Signalhörner für Einsatzfahrzeuge ausschließlich von der Deutschen Signal-Instrumentenfabrik hergestellt. Das Unternehmen wurde später von Max .B. Martin allein weitergeführt und hat heute seinen Stammsitz in Philippsburg in Baden-Württemberg. 







1893 wird Curt Richard (* 25.10.1865) Teilhaber der Firma G.A. Pfretzschner und übernimmt sie 1905 vollständig. Mit bis zu 10 kaufmännischen bzw. technischen Mitarbeitern und als Arbeitgeber für zahlreiche Handwerker in und um Markneukirchen war man eines der führenden vogtländischen Handelsgeschäfte. Unter der Leitung von Curt Richard Pfretzschner wird das Geschäft international weiter ausgebaut. Die bis heute erhaltenen Geschäftskorres-pondenzen aus aller Welt zeugen davon. Darunter sind Briefe aus London, Örebro, New York, Budapest, Hilversum, Königsberg (heute Kaliningrad), Winnipeg, Sandviken, Sundsvall, Yokohama, Ystad, und viele mehr.





Das Stammhaus des Handelsunternehmens war in der Oberen Straße (alte Nr. 40141 bzw. 35136) untergebracht, also in der heutigen Straße des Friedens 13, bis Curt auch den Stammsitz der Firma in das Wohn- und Geschäftshaus am Oberen Markt 15 in Markneukirchen verlegte, welches er von seiner Nichte, Gertraud Schuster, der Tochter seiner Schwester Martha gekauft hatte.


Geschäftshaus in der Oberen Straße
Geschäftshaus in der Oberen Straße

Warenabhohlung am Oberen Markt
Warenabhohlung am Oberen Markt


Wolfgang Pfretzschner, 1930 in New York
Wolfgang Pfretzschner, 1930 in New York

Zusammen mit seiner Frau Käthe (* 1879, geborene Merz) die er 1898 in Markneukirchen heiratet, hat Curt Richard eine Tochter, Margarete (Tante Gretel) und zwei Söhne. Der Jüngere, Wolfgang, war 1929 ein Jahr in New York bei der Fa. Henry Stadlmair Co.Inc und bereiste das ganze Land.


Warenlieferung aus Markneukirchen bei Fa. Stadlmair in New York, 1930
Warenlieferung aus Markneukirchen bei Fa. Stadlmair

Nach seiner Rückkehr 1930 werden die beiden Söhne Curt Adolf Gerhard (*11.09.1899) und Wolfgang (*14.07.1905) Teilhaber der Firma und übernahmen sie offiziell 1935, nach dem Tod des Vaters. Ihre Mutter Käthe war bis 1949 Kommanditistin.


Das ca. 100 Jahre alte Handelskontor der Firma G.A. Pfretzschner, das heute im Gerber-Hans-Haus in Markneukirchen ausgestellt ist.


Nach dem zweiten Weltkrieg führte das Wirtschaftssystem der DDR zu einer Unterdrückung privater Verlegerbetriebe und zum Rückgang der einst stark differenzierten Bestandteilfertigung. Beides traf die Firma G.A. Pfretzschner, die ihre Geschäftstätigkeit trotzdem noch bis 1976 aufrecht erhalten konnte. Danach betreute Wolfgang Pfretzschner einige seiner Exportkunden als Mitarbeiter der Genossenschaft Migma weiter und belieferte sie vor allem mit gespielten Streichinstrumenten.

Familiengrab in Markneukirchen
Familiengrab in Markneukirchen